1. Umgang & Verhalten
1.1. Die Ständegesellschaft: Ihrzen & DuzenEs gibt sie noch, die Ständegesellschaft. Konkret heißt das: Es gibt die Kleriker, also Priester und andere Männer Gottes, die den ersten Stand ausmachen. Dann gibt es den zweiten Stand, den Adel. Der dritte Stand besteht aus dem Rest, also einfachen Bürgern. Reichtümer sind in allen drei Ständen nicht unbedingt gerecht verteilt. Obwohl viele Kleriker ein Armutsgelübte abgelegt haben, häufen sich Reichtümer z.B. aus Kollekten oft bei diesen mehr oder minder frommen Zeitgenossen. Andere, oft vor allem Priester, die sich um ihre Gemeinde kümmern oder Mitglieder kleinerer Abteien, haben gerade genug Geld zum überleben. Ähnlich geht es dem Adel: Obwohl die meisten Adeligen zumindest über Land verfügen, das Geld abwirft, gibt es auch hier bedauernswerte Zeitgenossen, die durch Glücksspiel oder einfaches Pech ihre Reichtümer verloren haben. Adelig zu sein, heißt einen bekannten Namen zu haben, nicht unbedingt, Geld zu haben. Wie man sich vorstellen kann, gab es die meisten armen Leute natürlich im dritten Stand, doch auch hier gibt es Ausnahmen: Einige Bürger, die ein gutes und gefragtes Handwerk gelernt haben, können mit ihrem Geschäft durchaus gut verdienen und sich in die feinere Gesellschaft hocharbeiten. Viele sind jedoch bettelarm und jeden Tag froh, nicht verhungert zu sein.
Diese Unterschiede drücken sich vor allem im Umgang miteinander aus. Das offensichtlichste Beispiel ist die Ansprach: das Ihrzen und Duzen. Das formale "Sie", das wir heute benutzen, ist erst Ende des 18. Jahrhunderts üblich. Vorher galten folgende Anreden: Der Adel duzte seine Diener oder Angehörige des dritten Standes im Allgemeinen, sprach wohlhabende Bürger jedoch je nach Umfeld auch durchaus mit "Ihr" an, andere Adelige sowieso. Sprach ein Angehöriger des dritten Standes mit einem Adeligen (oder auch Kleriker), war das "Ihr" oberstes Gebot, oft auch in Kombination mit einer Höflichkeitsform wie "(mein) Herr", im englischen "Sir" oder das bekannte "Euer Gnaden" oder "Euer Hochwohlgeboren". Die letzteren beiden Formen wurden jedoch eher bei Königen oder Kaisern oder zumindest sehr (einfluss)reichen und deutlich höhergestellten Adeligen genutzt. Bürger (vor allem, wenn sie sich kannten) duzten sich üblicherweise untereinander. Männer konnten sich jedoch dazu entscheiden, eine Frau aus ihrem Stand dennoch zu ihrzen, um sie höherzustellen und ihr zu schmeicheln.
Diese sprachliche Ehrerbietung spiegelte sich auch im Verhalten aus. Sprach man als einfacher Bürger zu einem Adeligen, empfahl es sich, zumindest kurz eine Verbeugung anzudeuten. Ebenfalls war es angeraten, auf seine Wortwahl zu achten.
1.2. Das Recht, Waffen zu tragen: (Kurz)schwert, Bogen und Co.Bei dem Wort 'Mittelalter' denkt man im Allgemeinen zuerst einmal an Ritter, die sich mit Schwertern gegenseitig vermöbeln. Richtig: Ritter. Und Ritter waren Adelige, die natürlich Waffen tragen durften. Dem gemeinen Bürger hingegen war es oftmals nicht gestattet, Waffen zu tragen. Aber auch, wenn diese Reglung nicht in Kraft trat, gab es ein wesentlich größeres Hindernis: Geld. Es hatte einen Grund, warum es den Adeligen vorbehalten war, Ritter zu werden: Sie verfügten über die nötigen finanziellen Mittel. Denn ein Ritter braucht nicht nur ein Schwert, er braucht auch im Idealfall ein Pferd, das alles andere als billig war. Dazu kam eine Rüstung. Diese bestand aus einem Unterhemd, darüber ein Gambeson (eine Art gepolsterte, wattierte "Jacke", die Schläge dämpfte). Darüber ein Kettenhemd, das vor Schnitt- und Hiebwunden schützen sollte. Das war zumindest die Grundausrüstung. Bei den meisten Rittern kam zudem eine Plattenrüstung hinzu, bestehend aus Brust- und Rückenpanzer, Arm- und Beinschienen, Beintaschen (für die Oberschenkel) und Schulterstücken. Dazu war es natürlich ratsam, einen Helm zu tragen. Der Kopf wurde ebenfalls wahlweise mit einer (manchmal wattierten) Bundhaube (Art Mütze), einer Kettenhaube und natürlich dem Helm selbst geschützt. Wenn man die komplette Rüstung zusammenzählt, wog der Ritter somit ungefähr 20 Kilogramm mehr. Und diese 20 Kilogramm waren im allgemeinen sehr teuer, für einen normalen Bürger absolut unbezahlbar. Dann kam noch das Schwert dazu, das auch recht teuer war und mit dem man erst einmal umgehen können musste.
Daher sah man so gut wie nie einfaches Volk, das mit einem Schwert bewaffnet war. Die meisten nannten jedoch einen Dolch oder ein Messer ihr eigen und trugen es auch oft am Gürtel, jedoch war es im Zweifelsfalle angeraten, es etwas verdeckt zu tragen. Als Ausgleich konnten einige Bürger (vor allem Bauern, die auf dem Land wohnten) jedoch halbwegs passabel mit dem Bogen umgehen, denn der Bogen ermöglichte es einem, sein Abendessen zu erlegen und ein einfacher Bogen war auch selbst herstellbar, wenngleich dieser selten so gut war, wie einer von einem Bogner.
Zusammenfassend: Der Schwertkampf war dem Adel vorbehalten, während das einfache Volk eher mit einem Bogen umgehen konnte und sich vielleicht leidlich mit einem stabilen Stock oder einem Messer verteidigen konnte.